Brauchen wir Pflichtelternabende?

Etwa 60 Prozent der deutschen Kinder kommen heute nicht mehr hinlänglich erzogen aus der Familie in die Grundschule. Die klassische Arbeitsteilung, mit der die Familie erzieht und die Schule in Ergänzung dazu bildet, funktioniert heute in unserer komplexen, komplizierten und „globalisierten“ Welt voller Werte- und Meinungsvielfalt nicht mehr, auch weil jedes Kind in seiner Eigentümlichkeit eine andere Erziehung benötigt als das nächste, so dass der schulische Bildungsauftrag in der Luft hängt, wenn er nicht mit einem breiteren erzieherischen Rahmen umgeben wird. Der Kanton Zürich hat daher nicht nur Kindergarten und Primarschule (unsere Grundschule) zu einer Einheit integriert, sondern auch nach finnischem Vorbild Pflichtelternabende eingeführt. Wenn nicht zumindest Oma kommt, müssen die Eltern ein Bußgeld bezahlen.

Die Hamburger Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig will so etwas nun auch für die Hansestadt vorschreiben. Erziehung wird nämlich leichter, wenn man oft mit anderen Menschen über Erziehung spricht, wie wir von den „Parent Raps“ des Vizeweltmeisters bei PISA 1, Kanada, wissen. Wichtig ist daher, dass Lehrer nicht nur für diese „zugehende“ Pädagogik aus- und fortgebildet werden, damit sie in der Lage sind, Hausbesuche und Elternstammtische durchführen zu können, sondern dass an den Universitäten in Ergänzung zu den bisherigen Fachlehrerstudiengängen auch ein grundständiges Klassenlehrerstudium angeboten wird, damit ein Teil der künftigen Lehrkräfte auch den Schwerpunkt „Elternschaft lernen“ – wie die Volkshochschule Nordfriesland es einmal formuliert hat – beherrscht.

Text: Prof. Dr. Peter Struck