Kleiner Wind, der über den Fjord weht, heißt Anori. Und Anori wird ihrem Namen gerecht. Ihre Gesangperformance lässt die Zuschauer ihrer Konzerte schnell Raun und Zeit vergessen. Die Sorgen an den Alltag werden förmlich weggepustet und die Zuschauer werden in eine mystische Welt gezogen.
Pipaluk Kreutzmann-Jörgensen heißt die Regisseurin des grönländischen Films “Anori”.
Die 38-jährige Insulanerin hat die weiteste Anreise aller Gäste auf dem Lübecker Filmfestival hinter sich. Vergangenes Wochenende stellte sie ihren Film noch in Toronto vor um jetzt mit Erstaunen festzustellen, was die NFL für ein Publikumsmagnet ist. Mit ihrem blau leuchtenden Pullover und einem breiten Lachen im Gesicht stellt sie sich den Fragen des Publikums, das ihren Film gerade mit ungläubigem Staunen angeschaut hat. Von der Odyssee, die noch in den Knochen stecken muss, keine Spur.
Das Grönlandbild in unseren Köpfen besteht noch immer überwiegend aus Eisbären, Robbenfang und der Tatsache nicht mehr aus Versehen Eskimo statt Inuit zu sagen. Aber Grönland, und das deutet der Film an, ist noch so viel mehr.
Im Zentrum der Handlung stehen der Marineoffizier Inuk und die Sängerin Anori, die sich Hals über Kopf verlieben. Die zugeben etwas naiv anmutende Romance zwischen den beiden ist sicherlich auch dem knappen Budget des Films geschuldet. Dennoch entwickelt sich die zunächst etwas rosafarben angehauchte Beziehung in einen vielschichtigen Plot, der in verschiedenen Welten erzählt wird und deren Grenzen sich immer mehr auflösen.
Während die Handlung zwischen New York und Grönland wechselt und Zeitsprünge und Flashbacks immer wieder neue Wendungen offenbaren, nimmt uns die Regisseurin auch regelmäßig in eine mystische Welt aus Schnee und Eis mit. In dieser leben Fabelwesen, böse Winde und gute Spirits, die auch gleichzeitig unser Unterbewusstes symbolisieren.
Pipaluks Kreutsmann-Jörgensens Name kann aber auch als Metapher für ihren eigenen Film gelesen werden. Ihre Namen schlagen eine Brücke von dem traditionellen Grönland, in dem Maskentänze und Mythen den sozialen Kitt der Gesellschaft ausmachten mit den heutigen Einflüssen aus fremden Kulturen und dem Kapitalismus der auch in Grönland immer öfter seine böse Fratze zeigt.
Diesen und viele andere Filme entdecken sie noch bis zum 4.11.2019 bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck.
Weitere Infos finden Sie unter nordische-filmtage.de
Stefan Tietjen