Sonderausstellung im Grass-Haus

hundejahreMit seinem zweiten, nach der Blechtrommel mit Spannung erwarteten Roman festigte
Günter Grass 1963 seine Geltung als sprachgewaltiger Fabulierkünstler: Die
Hundejahre wurden von Kritikern als „heißlaufende Phantastik“ und kaum gebändigter
„Hagelschauer von Einfällen“ gelobt. Zum 50. Geburtstag widmet das Günter Grass-
Haus den Hundejahren jetzt eine Sonderausstellung. Sie wurde von Viktoria Krason
kuratiert und ist bis zum 2. Februar im Hause zu sehen. Im Rahmen eines
Pressetermins wurde die Schau heute der Öffentlichkeit präsentiert.
„Es ist sicherlich ungewöhnlich, dass ein Schriftsteller knapp 50 Jahre nach Erscheinen
seines Romans Radierungen dazu anfertigt. Wir freuen uns, dass wir diese “schwarze
Kunst”, wie Grass sie nennt, in Lübeck der Öffentlichkeit erstmals vorstellen können. Mit
dieser Ausstellung würdigen wir eines der wichtigsten und interessantesten Werke des
Künstlers“, erklärte Jörg-Philipp Thomsa, Leiter des Günter Grass-Hauses. Viktoria Krason
fügte hinzu: „Die „Hundejahre“ sind Grass’ bildreichstes, lautestes und vielseitigstes Werk:
Für ein ‚Forum für Literatur und bildende Kunst’ gibt es kein dankbareres Thema.“
Grass Prosa-Collage aus episodischer Erzählung, mythischen Einsprengseln und
phantastischen Visionen vertieft das bereits im Debütroman angestrebte Porträt der Freien
Stadt Danzig und der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft.
Stärker noch als in der Blechtrommel (1959) und in der Novelle Katz und Maus (1961)
stehen in den Hundejahren die Möglichkeiten und Grenzen der Kunst angesichts einer tiefen
Krise humanistischer Ideale im Mittelpunkt: Werke der bildenden und darstellenden Kunst
bestimmen die ohnehin von einprägsamen literarischen Bildern und Metaphern geprägte
„Chronik“. Ihr fiktiver Herausgeber und zugleich die zentrale Künstlerfigur des Buches ist
Eduard Amsel, ein begnadeter Vogelscheuchenkonstrukteur und Ballettchoreograph. Dessen
Schaffen erdachte sich Grass mit einem Seitenblick auf Werke realer Künstler wie die des
Malers und Bühnenbildners Oskar Schlemmer (1888 – 1943) oder des Erzeugers von
Marionetten und kinetischen Plastiken, Harry Kramer (1925 – 1997). Amsels Kunst findet
zudem eine Spiegelung in den grafischen Arbeiten von Günter Grass und weiteren
Projekten, die im Zusammenhang mit dem Roman entstanden: in expressiven
Tuschezeichnungen, einem Hör- und Theaterspiel, einem Ballett und über einhundert
Radierungen, die Grass für die aufwendig gestaltete Jubiläumsausgabe des Buches von
2013, veröffentlicht im Steidl Verlag, schuf. Die Bildfolge, die zentrale Elemente der
Romanhandlung sichtbar werden lässt, wird in der Sonderausstellung zum ersten Mal
präsentiert. Dazu werden Zeichnungen des Künstlers aus den fünfziger und sechziger
Jahren vorgestellt sowie Arbeiten von Harry Kramer aus dem Lübecker
TheaterFigurenMuseum. Zusammen mit zahlreichen Schrift- und Bilddokumenten aus dem
Archiv der Akademie der Künste Berlin, dem Deutschen Tanzarchiv Köln, dem Deutschen
Theatermuseum und dem Österreichischen Theatermuseum vermittelt die Schau die
ästhetische Vielfalt und politische Sprengkraft der Hundejahre und seiner kreativen
Seitentriebe.