Lack und lässig: Ottos bunte Farbtöpfe auf der Kühlerhaube
24 Stunden ein ruhiges Gewissen und Seelenfrieden: Idyll mit Auto
Noch zwei Schrauben festziehen und fertig
Ottos Mitarbeiter bei der verdienten Mittagspause: Pap und Hühnchen
Frank und Otto (re.) unterbrechen ihren Job nur ungern
Daniel aus Simbabwe sucht noch nach dem Problem
Fotos: Stevie de Villliers
Stefan Tietjen – Unser Autor ist Lehrer in Südafrika.Seine Heimatstadt ist Lübeck, sein Herz schlägt aber um die ganze Welt. Er liebt Originale und das Originelle. Über sie berichtet er.
************
Stevies afrikanischer Bilderbogen – schwarze Wiege des Autos
Fast 278 000 Kilometer hat mein Auto japanischer Herkunft nun schon gemeistert. Und wir reden hier nicht von feinstem Beton und Teer auf deutschen Autobahnen, über die mein Geländewagen gebraust ist, sondern von Schlaglochpisten in Mosambik und unzähligen Schotterwegen durch südafrikanische Nationalparks. Auch einer der höchsten Pässe des südlichen Afrikas, der Sani Pass mit 2812 Metern, wurde bereits zweimal bezwungen.
Natürlich hinterlassen solche Strapazen auch Spuren und da ist es selbstverständlich, dass auch ein so verlässliches Auto ein bisschen Wellness nötig hat.
Ottos Autowerkstatt erinnert allerdings nicht wirklich an Schlammpackungen und Shiazumassagen, sondern in erster Linie an einen Schrottplatz. Die letzten hundert Meter ruckel ich mit meinem Wagen eine rote Sandpiste entlang, in die die Gewitter der letzten Nächte tiefe Furchen gewaschen haben. Das grüne Gras steht hoch und nichts erinnert an die schlimmste Trockenheit seit 123 Jahren, die viele Menschen in diesem Land gerade in ihrer Existenz bedroht. Kaum 15 km gefahren sind die neuen Wohnanlagen im zugebauten Pretoria, die dort überall wie Pilze aus dem Boden schießen, in Vergessenheit geraten. Eine friedliche Beschaulichkeit tüncht die vorbeifliegende Landschaft.
Aber auch hier wurde überall verschwenderisch mit Stacheldraht gemalt, der noch immer von der realen Angst der Weißen vor Einbrüchen und Übergriffen der schwarzen Bevölkerung zeugt. Nur wirkt die Bedrohung hier weniger greifbar. Ich lasse die letzten Farmhäuser links und rechts der Straße liegen, bis sich vor mir der Fehler in diesem pittoresken Gemälde auftut. Blickte ich eben noch auf gepflegte Rasen, tut sich nun eine gewisse Anarchie auf, die sich mit Worten schwer beschreiben lässt.
Als hätte ein kleines Kind einen Legokasten in seinem Kinderzimmer zerstreut und zierte sich trotz der mahnenden Worte der Mutter vor dem Aufräumen.
Autos sind auf dem ganzen Anwesen verteilt. Einige Autowracks sind schon fast wieder mit der Natur eins geworden und im Gras fast versunken, andere Karosserien dienen als überdimensionale Müllbehälter für ausgetauschte Ölfilter oder leere Lackdosen und anderen Unrat jeglicher Art.
In Gedanken versuche ich eine Ordnung in dieses chaotisch anmutende Gemälde á la Miro zu bringen. Allein: Es will mir nicht gelingen.
Ich lasse mein Auto zurück und bahne mir den Weg zu der Werkstatt. Dort treffe ich auf menschliches Leben. Ein schwarzer Arbeiter in Overall sitzt in dem Motorraum eines Autos. Der Anblick berührt mich. Ich habe das Gefühl, gerade Sisysphus – der mit dem rollenden Stein – begegnet zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Auto jemals wieder zum Leben erweckt werden kann. Zu viele Organe scheinen dem Motor bereits entnommen zu sein. Aber Daniel aus Simbabwe, so heißt der Mitarbeiter, lässt sich gar nicht aus der Ruhe bringen und schraubt optimistisch weiter. Einen großen Vorteil hat er. In Südafrika muss ein Auto lediglich dann den TÜV (roadworthy) bestehen, wenn es zugelassen wird oder den Besitzer wechselt. Von einer Umweltplakete hat hier noch kein Auto gehört.
Überhaupt schwebt das Damokles Schwert der Vergänglichkeit über diesem Ort, dessen Bezeichnung “Autofriedhof” oder “Autowerkstatt” ausschließlich im Auge des Betrachters liegt.
Zumindest bin ich verblüfft, als mir der Werkstattchef Otto mitgeteilt, dass ein alter Honda, der komplett ausgeschlachtet ist und bei einem Unfall halbiert wurde, quasi so gut wie fertig sei. Vielleicht mangelt es mir an Fanatasie, aber ich kann mir das Auto nur schwerlich auf einer Straße und dazu rollend vorstellen. Die Wettquote auf eine Niederlage des FC Bayern beim VFB Lübeck wäre nicht höher.
Das Schicksal dieses in die Tage gekommenen Hondas teilen hier aber sehr viele Automodelle. Die Werkstatt allein entscheidet über die Frage, ob der Besitzer noch die ein oder andere Ausflugstour bestreiten kann oder ob die ewigen Jagdgründe tatsächlich unausweichlich sind.
Im Gespräch verrät Otto, dass er überhaupt kein leidenschaftlicher Autosammler sei, aber viele Kunden mussten feststellen, dass ihnen das nötige Kleingeld fehlte, um die in Auftrag gegebene Reparatur bezahlen zu können. Er sei im Prinzip auch kein unordentlicher Mensch, aber er müsse sich gleichzeitig um die Reparatur der Autos, die Suche nach entsprechenden Ersatzteilen und die Betreuung der Kunden kümmern. Aus diesem Grund ist der Südafrikaner deutscher Herkunft auch sechs Tage die Woche im Einsatz. Am Sonntag baut er dann an seinem Haus weiter. Eine weitere Baustelle in seinem Leben, deren Abschluss noch offen steht.
Mit einem Schmunzeln meint er nur, dass er wenigstens nicht in Verlegenheit käme, sich ein neues Hobby suchen zu müssen. Dann muss er auch schon weiter. Zum Abschied schütteln wir die Hände. Kaum vorstellbar, dass diese von Motoröl oder Autolack gezeichneten Pranken vor zehn Jahren noch die eines Koches waren. Solche Geschichten schreibt nur das Leben in Afrika, wo Improvisation mehr als alles andere zum Alltag gehört.
Mein Auto habe ich natürlich nicht im Stich gelassen. Es erstrahlt in neuem Glanz und erfreut sich bester Gesundheit.