Sein ganzes Geld für die Griechen

Vor 225 Jahren wurde Lord Byron geboren / Sein Kampf für die Freiheit
Griechenlands ist unvergessen.

Jeder kennt ihn als Dichter; kaum jemand hat etwas von ihm gelesen. Im
Gedächtnis geblieben ist, dass er mit allen Mitteln den griechischen
Freiheitskampf unterstützte. Vor 225 Jahren, am 22. Januar 1788, wurde in
London George Gordon Noel Byron, der 6. Lord Byron geboren.

Ein Exzentriker, sagten die Zeitgenossen. Wer die Biographien seiner
Vorfahren studiert, kann zu dem Schluss kommen, dass der Lord für ein
normales Leben nicht geschaffen war. Das beginnt mit dem Herrensitz in
Nottinghamshire, den der 6. Lord Byron als Zehnjähriger erbte.
Ursprünglich war die Anlage ein Kloster. Die Legende will wissen, dass es
als Sühne für ein Kapitalverbrechen gestiftet wurde. Anlass war einer der
berühmtesten Morde der englischen Geschichte.

König Heinrich II. hatte anno 1162 seinen Jugendfreund Thomas Becket zum
Erzbischof von Canterbury gemacht. Er wollte die Kirche unter seinen
Einfluss bringen. Thomas aber zollte im neuen Amt Gott mehr Gehorsam als
dem König, dessen Barone Becket im Dezember 1170 im eigenen Gotteshaus
ermordeten. Heinrich II. stiftete das Kloster Newstead Abbey bei
Nottingham. Heinrich VIII. verkaufte es nach der Loslösung von Rom Mitte
des 16. Jahrhunderts an einen zahlungskräftigen Edelmann. Dieser nahm den
Titel eines Lord Byron an.

Wer sich die Ahnengalerie auf Newstead erläutern lässt, hört wilde
Geschichten. Der vierte Lord Byron, Großvater des Dichters, brachte es zum
Admiral der britischen Marine. Sein Spitzname lautete „Foulwheather Jack“,
übersetzt etwa „Schlechtwetter Hannes“. Wohin er mit seiner Flotte auch
segelte, immer geriet er in Stürme. Der Lord verlor Schiffe und etliche
Seegefechte, so dass sein König ihn schließlich „ungnädig“ entließ. Der
fünfte Lord Byron trägt den Beinamen „The Wicked“, „der Verruchte“. Er
hasste seine Verwandtschaft, beschloss, den Erben nichts zu hinterlassen.

Seine Lordschaft ließen die Wälder abholzen, das Schloss verfallen. Sein
Vermögen verjubelte er fast bis zum letzten Penny. Ein Nachbar
beschuldigte ihn, nicht nur die Bäume vernichtet, sondern auch das Wild
ausgerottet zu haben, so dass man keine Jagden mehr veranstalten konnte.
Byron Nr. 5 zog den Degen und durchbohrte den Kritiker. Dass er dafür
nicht an den Galgen kam, verdankte der Lord seinem Stand. Nur das Oberhaus
konnte einen Adeligen zum Tode verurteilen, und die Kollegen plädierten
auf Totschlag, beließen es bei einer Rüge.

„The Wicked Lord“ war nicht der Vater des Dichters. Dieser stammt aus
einer Seitenlinie. Der Vater war ein Schürzenjäger, dessen Charme kaum
eine Dame widerstehen konnte. Als der „Tolle Jack“ (Mad Jack) Pleite war,
heiratete er die pummelige Catherine Gordon of Gight aus steinreicher
schottischer Familie. Sie hatte nicht viel von ihrem schönen Gatten. Der
war meistens unterwegs, brachte das Geld mit anderen Frauen durch. Ihr
einziger Sohn, George Noel Gordon, musste auf eine einfache Schule gehen.
Zu mehr reichte es nicht.

George wurde von seinen Mitschülern gehänselt, weil er einen verkrüppelten
Fuß hatte. Das verkürzte linke Bein hinderte ihn aber nicht daran, ein
ausgezeichneter Schwimmer zu werden. Den Canal Grande in Venedig
durchschwamm er in voller Länge. Als Erbe von Newstead war er nicht
vorgesehen. Doch der Sohn des fünften Lords starb jung, George rückte
nach. Sein Lehrer redete ihn eines Morgens mit dem Adelstitel an. George
Noel wechselte sofort die Schule.

Auch der 6. Lord Byron war oft auf Reisen. Sein erster Trip in den Süden
begann am 2. Juli 1809 und dauerte zwei Jahre und zwölf Tage. Europäische
Mittelmeerländer standen auf dem Reiseprogramm. Ausgiebig besuchte er
Griechenland und ließ sich vom aufkeimenden Freiheitswillen der Griechen
und anderer Balkanvölker anstecken, die mehr als 400 Jahre von den
osmanischen Sultanen beherrscht wurden. Seine Gefühle schilderte Lord
Byron im Versepos „Childe Harold’s Pilgrimage“, das viele Nordeuropäer
aufrüttelte.

Nach dem von den Türken blutig niedergeschlagenen ersten Aufstand der
Griechen vom 25. März 1821 in Patras bildeten sich in London und anderswo
in Europa Solidaritätsvereinigungen. Das Londoner „Griechische Komitee“
schickte den Lord nach Hellas. Byron wollte nicht mit leeren Händen
kommen, verkaufte seinen Besitz, rüstete zwei Schiffe aus und brach auf
nach Süden. Hier erfuhr er, dass es um die Sache der Freiheit schlecht
stand. Die Griechen waren heillos zerstritten. Nach der Jahrhunderte
langen türkischen Besatzung war organisierter Widerstand nicht möglich. An
vielen Stellen erhoben sich kleine Gruppen unter selbsternannten Führern.
Byron ging in Messolonghi am Nordufer des Golfs von Korinth an Land. Hier
starb er im April 1824, nicht mit der Waffe in der Hand, sondern am
Sumpffieber. Die Griechen haben ihm ein ehrendes Andenken bewahrt. In
vielen Orten gibt es eine Straße, die nach dem „Lordos Vyronas“ benannt
ist.

Konrad Dittrich