Endlich wieder NFL in Lübeck
Der Klimawandel macht auch vor den Nordischen Filmtagen nicht halt. Die sengende Sonne brennt, überall Sand und Staub und kein grüner Halm für die unter der Hitze darbenden Schafe. Regen hat die Gegend gefühlt seit einer Ewigkeit nicht erlebt und auch die Hoffnung für Guled und seine Familie lässt sich wohl eher in Millimetern messen.
Nasra, die Frau des Totengräbers ist schwer erkrankt und die Medizin und die unausweichliche Operation sind unbezahlbar. Ein Gesundheitssystem vergleichbar mit dem unsrigen gibt es nicht. Geheilt wird nur derjenige, der bezahlen kann.
Mit seinem Gelegenheitsjob als Totengräber kann Guled auch unter weniger schlechten Vorzeichen die Familie kaum ernähren geschweige denn die lebensnotwendige Operation bezahlen.
Guled denkt aber nicht einen Moment darüber nach, sich auf den Weg nach Europa zumachen. Nur einmal verliert er kurzfristig die Nerven und ist kurz davor eine große Dummheit zu begehen, für die der Zuschauer aber großes Verständnis gehabt hätte und die einzig durch seine Liebe zu seiner Frau motiviert ist. Persönlich hätte man sich in einer vergleichbaren Situation vermutlich selbstbemitleidet oder früher oder später den Verstand verloren. Schon beim Zuschauen erscheinen die Stunden des Wartens auf Arbeit quälend und lassen nur erahnen, was es bedeuten muss, nicht selbstbestimmt über das eigene Schicksal bestimmen zu können.
Guled wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein Held. Sein verlegenes Lächeln und seine schmächtige Gestalt lassen ihn eher wie den geborenen Verlierer erscheinen, der sich willig in sein Schicksal fügt, aber tatsächlich ist er bereit dazu, alle Hürden zu überwinden.
Der Film ist nicht zuletzt deshalb mit dem NDR-Filmpreis belohnt worden, weil er mit dem eurozentrischen Blick bricht, der ausschließlich potentielle „Sozialtouristen“ und Boatpeople in den Ländern des Sahels vermutet.
Somalia mag zu den sogenannten failed states gezählt werden, aber der Film zeigt, dass die Menschen trotzdem Menschen sind und eine Karriere als Geflüchteter nicht ganz oben auf der Wunschliste der Berufe steht. Der Regisseur des Films, Khadar Ayderus Ahmed, der im Alter von 16 Jahren nach Finnland immigriert ist, richtet auf sehr einfühlsame Art und Weise einen Blick auf Guled und zugleich auch auf seine ostafrikanische Heimat Somalia, die weniger von Vorurteilen gefärbt, wenn nicht getrübt ist.
Unbedingt anschauen.
Stefan Tietjen