15 Thesen zur kulturellen Integration

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Fünfzehn Thesen zu kultureller Integration und Zusammenhalt
Berlin, den 16.05.2017.

Wir, die Mitglieder der Initiative kulturelle Integration, wollen angesichts aktueller Debatten mit den nachfolgenden 15 Thesen einen Beitrag zu gesellschaftlichem Zusammenhalt und zur kulturellen Integration leisten. Wir vertreten ein breites Spektrum an Institutionen und Organisationen, verschiedene politische Ebenen und Interessen. Das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger in Vereinen, Initiativen, Verbänden, Kultur- und Bildungseinrichtungen, in Kirchen und Religionsgemeinschaften, bei den Sozialpartnern, in den Medien, in den Parteien, in den Städten, Landkreisen und Gemeinden sowie in der Nachbarschaft zeigt, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt gelebt wird und wie jede Einzelne und jeder Einzelne hierzu ihren und seinen Beitrag leisten kann. Die Mitglieder der Initiative kulturelle Integration stehen für die Breite dieses Engagements und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir rufen weitere Akteure auf, sich diesen Thesen anzuschließen.
Präambel

Integration betrifft alle Menschen in Deutschland. Gesellschaftlicher Zusammenhalt kann weder verordnet werden, noch ist er allein eine Aufgabe der Politik. Vielmehr können alle hier lebenden Menschen hierzu beitragen. Deutschland ist ein vielfältiges Land. Seit Jahrhunderten leben hier Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern. Die Mehrzahl derjenigen, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind, fühlt sich hier zuhause, viele sind inzwischen Deutsche. Mit Solidarität haben Gesellschaft und Politik auf die Ankunft vieler Geflüchteter reagiert. Solidarität gehört zu den Grundprinzipien unseres Zusammenlebens. Sie zeigt sich im Verständnis untereinander und in der Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse anderer – wir treten für eine solidarische Gesellschaft ein.

Kultur trägt neben der sozialen Integration und der Integration in Arbeit wesentlich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Kulturinstitutionen vermitteln Geschichte und Gegenwart Deutschlands und ermöglichen eine Auseinandersetzung mit den Werten der Gesellschaft – wir setzen auf die Vermittlungskraft von Kultur.

Zuwanderung verändert eine Gesellschaft und erfordert Offenheit, Respekt und Toleranz auf allen Seiten. Dies ist ein langwieriger Prozess, in dem um Positionen gerungen werden muss. Das Schüren von Ängsten und Feindseligkeiten ist nicht der richtige Weg – wir stehen für eine weltoffene Gesellschaft.

Der europäische Einigungsprozess ist nicht nur ein Garant für Frieden in Europa und eine wichtige Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung, er steht zugleich für kulturelle Annäherung sowie für gemeinsame europäische Werte – wir wollen ein einiges Europa.

Wir legen für die nachfolgenden Thesen den Kulturbegriff zugrunde, der von der UNESCO-Weltgemeinschaft in der „UNESCO-Weltkonferenz zur Kulturpolitik“ 1982 in Mexiko formuliert wurde.

Der UNESCO-Kulturbegriff stellt darauf ab, dass „die Kultur in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“
These 1
Das Grundgesetz als Grundlage für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland muss gelebt werden.
Das Grundgesetz beschreibt insbesondere in seinen ersten 20 Artikeln unverrückbare Prinzipien des Zusammenlebens. Es sichert seit Jahrzehnten ein friedliches Zusammenleben in Deutschland. Die Achtung und der Schutz der Menschenwürde sind Grundlage der deutschen Rechtsordnung. Das Grundgesetz regelt zuerst das Verhältnis von Staat und Bürgerinnen und Bürgern und schützt vor staatlicher Willkür. Es ist zugleich essentiell… mehr
These 2
Das alltägliche Zusammenleben basiert auf kulturellen Gepflogenheiten.
Im täglichen Zusammenleben spielen neben Werten wie Solidarität und Mitmenschlichkeit Umgangsformen und Gebräuche eine wichtige Rolle. Sie erleichtern das Zusammenleben und schaffen Vertrautheit sowie Verbindlichkeit im Miteinander. Umgangsformen, kulturelle Gepflogenheiten und traditionelle Gebräuche sind jedoch nicht starr, sondern unterliegen dem Wandel. Sie müssen sich im gesellschaftlichen Diskurs bewähren oder weiterentwickeln, um ihre Berechtigung zu behalten. mehr
These 3
Geschlechtergerechtigkeit ist ein Eckpfeiler unseres Zusammenlebens.
Geschlechtergerechtigkeit gehört zu den grundlegenden Prinzipien des Zusammenlebens und verlangt Achtung sowie Respekt vor Frauen und Männern. Im Grundgesetz ist das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert. Es bleibt gleichwohl eine Aufgabe für Staat und Gesellschaft, Geschlechtergerechtigkeit weiter zu verwirklichen. mehr
These 4
Religion gehört auch in den öffentlichen Raum.
Religionen können wichtige Beiträge zur kulturellen Integration leisten. In Deutschland sind Staat und Religion klar voneinander unterschieden, aber auch aufeinander bezogen. Den Religionen wird die Möglichkeit gegeben, in der Öffentlichkeit sichtbar aufzutreten und aktiv am gesellschaftlichen Leben mitzuwirken. Zugleich aber unterliegen sie den geltenden rechtsstaatlichen Regeln und einem öffentlichen Diskurs. Dieses Verhältnis von Staat und… mehr
These 5
Die Kunst ist frei.
Die Künste ermöglichen die Auseinandersetzung mit philosophischen, gesellschaftlichen und politischen Grundfragen. Sie weisen über das unmittelbare Erleben hinaus und eröffnen neue Sinnhorizonte. In der Fähigkeit, Kunst zu schaffen und zu interpretieren, überschreitet der Mensch, wie die UNESCO formuliert, seine eigene Begrenztheit. Die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit sichert die Entfaltung der Künste. Die Kunstfreiheit auszuhalten, ist… mehr
These 6
Demokratische Debatten- und Streitkultur stärkt die Meinungsbildung in einer pluralistischen Gesellschaft.
Eine demokratische Debatten- und Streitkultur trägt zur Entwicklung individueller und gesellschaftlicher Positionen bei. Kontroversen, die durch Zuhören und konstruktive Auseinandersetzung geprägt sind, leisten einen wichtigen Beitrag für das Zusammenleben. Konstruktive Aushandlungsprozesse setzen Kompromissfähigkeit voraus. Sie sind das Gegenteil von Populismus, dessen Vertreterinnen und Vertreter nur die eigene Ansicht gelten lassen. Journalistisch und redaktionell veranlasste Angebote… mehr
These 7
Einwanderung und Integration gehören zu unserer Geschichte.
Integration ist ein Prozess, der beide Seiten, die Aufnahmegesellschaft und die Migrantinnen und Migranten, fordert. Hierzu gehört auch, Zugewanderte als selbstverständlichen Teil der deutschen Gesellschaft anzusehen. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Erfolgreiche historische Integrationsprozesse sind Teil unseres kulturellen Erbes und unserer Identität. Diese Erfahrungen ermutigen, auch wenn sie mit Anstrengungen verbunden waren. Deutschland hat in seiner… mehr
These 8
Die freiheitliche Demokratie verlangt Toleranz und Respekt.
Die freiheitliche Demokratie verlangt nicht nur Achtung vor Recht und Gesetz, sondern auch Toleranz gegenüber Ansichten, Lebensweisen oder Ausdrucksformen, die nicht von allen geteilt werden. Das schließt die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit anderen Meinungen und Positionen, den Dialog und die Fähigkeit ein, Kompromisse zu schließen. Eine offene Gesellschaft erfordert Respekt voreinander und die Akzeptanz von… mehr
These 9
Die parlamentarische Demokratie lebt durch Engagement.
Eine stabile parlamentarische Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie bedarf des Engagements des und der Einzelnen und der Wertschätzung der Gesellschaft. Die demokratischen Parteien sind gefordert, dass die Vielfalt der Gesellschaft auch in ihrer Mitgliedschaft sichtbar wird. Die parlamentarische Demokratie lebt vom Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte für die Gesellschaft von morgen. Hier kann… mehr
These 10
Bürgerschaftliches Engagement ist gelebte Demokratie.
Bürgerschaftliches Engagement ist gelebte Demokratie und leistet einen unverzichtbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Viele Bürgerinnen und Bürger engagieren sich ehrenamtlich und freiwillig in Vereinen und Verbänden. Sie übernehmen damit Verantwortung für andere und für die Gesellschaft. Sie setzen sich im Natur- und Umweltschutz, im Sport, in Wohlfahrtsverbänden, in Gewerkschaften, in der Kultur, in Kirchen und… mehr
These 11
Bildung schafft den Zugang zur Gesellschaft.
Bildung ist eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung der Persönlichkeit und Teilhabe an Gesellschaft und Arbeitswelt. Bildung findet zum einen in formalen Kontexten wie Schule, Betrieb, Hochschule oder Weiterbildung statt, zum anderen in non-formalen wie der Familie, in Vereinen, Kirchen und Gemeinden, den Medien und anderen Zusammenhängen. Beide, die formale und die non-formale Bildung, sind… mehr
These 12
Deutsche Sprache ist Schlüssel zur Teilhabe.
Unsere gemeinsame deutsche Sprache ist der Schlüssel zur Teilhabe aller in Deutschland lebenden Menschen am gesellschaftlichen Leben. Sie ist das unverzichtbare Mittel zu gleichberechtigter Kommunikation und damit Grundvoraussetzung für Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sprache ist aber nicht nur Kommunikationsmittel, sie ist zugleich Kulturgut, das in Dichtung und Literatur ihren Ausdruck findet und den Zugang zu… mehr
These 13
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nie abgeschlossen.
Deutschland kann wie andere Nationen auf positive und negative Facetten seiner Geschichte zurückblicken. Dazu gehören die herausragende Literatur oder große Musik, die in unserem Land entstanden sind; dazu zählen die Philosophie und wissenschaftliche Erkenntnisse, die unsere Welt prägen. Die Shoah ist das dunkelste Kapiteln deutscher Geschichte. Sie nimmt daher in der Erinnerungskultur in Deutschland… mehr
These 14
Erwerbsarbeit ist wichtig für Teilhabe, Identifikation und sozialen Zusammenhalt.
Erwerbsarbeit besitzt große Integrationskraft. Sie bringt die Gesellschaft und die einzelnen Menschen zusammen. Sie begründet Stolz und Identifikation mit dem aus eigener Kraft Geleisteten. Sie gibt dem Alltag Struktur, ermöglicht Kommunikation und fördert so ganz entscheidend den sozialen Zusammenhalt. Weil Erwerbsarbeit eine so große Bedeutung hat, ist der Zugang aller erwerbsfähigen Menschen zum Arbeitsmarkt besonders… mehr
These 15
Kulturelle Vielfalt ist eine Stärke.
Bedingt durch die deutsche Geschichte hat die kulturelle Vielfalt der Städte, Landkreise und Gemeinden sowie der Länder einen herausgehobenen Stellenwert. Das betrifft die Sprache ebenso wie besondere kulturelle Ausdrucksformen, ein sehr breites Kulturangebot sowie einen großen Reichtum kulturellen Erbes. Gesellschaftliche Veränderungen können dazu führen, dass sich Menschen in Deutschland entwurzelt fühlen. Sie vermissen die… mehr
Nachwort

Wir, die Initiatoren und Mitglieder der Initiative kulturelle Integration, treten für die oben formulierten Thesen ein. Wir tragen sie als Vertreterinnen und Vertreter in unsere Verbände und Organisationen, in die Politik, in die Kirchen und Religionsgemeinschaften, in die Medien; sie finden dort eine breite Unterstützung. Wir laden dazu ein, sich diesen Thesen anzuschließen, sie zu verbreiten und mit Leben zu erfüllen. Wir wollen für diese Positionen werben, darüber ins Gespräch kommen, Begegnungen organisieren und Vorbehalte abbauen.
Verfasser

ARD, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, Bundesministerium des Innern, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Deutsche Bischofskonferenz, Deutscher Beamtenbund und Tarifunion, Deutscher Gewerkschaftsbund, Deutscher Journalisten-Verband, Deutscher Kulturrat, Deutscher Landkreistag, Deutscher Naturschutzring, Deutscher Olympischer Sportbund, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Deutscher Städtetag, Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Evangelische Kirche in Deutschland, Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen, Koordinationsrat der Muslime, Kultusministerkonferenz, Neue Deutsche Organisationen, Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, Verband Privater Rundfunk und Telemedien, ZDF, Zentralrat der Juden in Deutschland
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16. Mai 2017

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