Mit der Ilala auf dem Malawi

Von Stefan Tietjen, netzpool Afrika-Korrespondent

“Hello,  my friend.”, ertönte eine Stimme durch die Dunkelheit. Eine Stimme, die ich mir in diesem Augenblick lieber nicht gewünscht. Hatte ich etwa Angst? Angst um meine 10000 Kwacha – etwa 50 Euro. Um meine Gesundheit -8000 Kilometer Meter vom Bodensee.

Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte ich bereits gewartet, aber die Fähre wollte nicht kommen. Bereits um 2 Uhr morgens hatte ich meinen Wecker gestellt und war von Martha und ihrem Cousin an der Anlegestelle abgesetzt worden. Der mutmaßlichen Anlegestelle sollte ich vielleicht sagen. Ich hatte Nkhotakota erst am Abend zuvor erreicht und verließ mich auf die Ortskundigkeit meiner Gastgeber, die mir rieten, sicherheitshalber schon vor der anvisierten Ankunftszeit gemäß des Fahrplans der Ilala-Fähre am Ufer des Lake Malawis bereit zu stehen.

Aber auch nach einer halben Stunde war weder vom nächsten Tag noch der sagenumwobenden Fähre, die ursprünglich in Schottland gebaut worden war, dann für den Transport in ihre Einzelteile zerlegt wurde, um über Mosambik eingeschifft zu werden. Bereits seit 1950 verrichtet sie mal mehr und mal weniger zuverlässig ihren Dienst auf dem 560 km langen und 75 Kilometr breit See im östlichen Afrika. 60 malgrößer als unsere Bodensee.

Ich hatte es mir, so weit es möglich war, gemütlich gemacht und verfluchte die Tatsache, dass ich mich für kurze Hosen entschieden hatte. Ich erwischte mich dabei, wie ich neidisch auf die umliegenden Wartenden starrte. Eingehüllt bis zur Unkenntlichkeit in Leinenschlafsäcke. Nur ein gelegentliches Schnarchen hier und da verriet, dass es sich um Einheimische handeln musste.

Und nun diese Stimme, die sich ihren Weg durch die Stille an mein Ohr suchte. Meine Freunde hat mir geraten, sicherheitshalber auf der Veranda eines benachbarten Hotels zu warten.

Ja, mein Taschenmesser war griffbereit und da sah ich schon wie sich in der Dunkelheit Umrisse herausschälten. Eine Gestalt kam auf mich zu und unterbreitete mir, dass es verschiedene Wege gebe, um auf die Fähre zu gelangen. Tatsächlich hatte ich mir im Vorfeld gar keine großen Gedanken über das Chartern der Fähre gemacht. Warum auch? Ich hatte Freunde bereits vor zwei Tagen am Startpunkt der Fähre in Monkeybay abgesetzt und hatte mir einen kurzen Blick auf die Fähre verschafft. Sie erinnerte vielleicht nicht gerade an die “Mein Schiff 5”, aber einen soliden Eindruck machte sie schon. Und vor allen Dingen war sie an einem Steg vertäut.

Und sollte ich vor die Wahl gestellt werden, zu der Fähre durchs Wasser zu warten, ja sogar zu schwimmen – mitsamt meines Rucksacks? Nein, natürlich könne ich auch ein Schiff anheuern und das für schlappe 10.000 Kwacha. Zugegeben umgerechnet sind das nur 13€, aber da die sechsstündige Passage zu meinem Ziel Likoma Island nur mit 11 € veranschlagt war, begegnete ich dem Angebot des nächtlichen Unruhestifters mit Argwohn. Ich erwiderte, dass ich mir das Angebot durch den Kopf gehen lassen würde, um Zeit zu gewinnen.

Daraufhin wurde ich wieder in Ruhe gelassen und war wieder alleine mit der Kälte (gefühlte 10 Grad) und einer weiteren Sorge über die Frage, wie ich auf die Fähre kommen sollte.

„bwuuuuh, bwuuuuh“, dröhnte das Schiffshorn vom See herüber. Die Ilala war da. Die Leinensäcke erwachten zum Leben. Rasch wurden die Sachen zusammen gepackt und die Säcke und Taschen mit Proviant und Waren geschultert. Ich folgte dem Strom der Einheimischen zum Strand. Und was sich mir dort offenbarte, übertraf all meine Erwartungen.

Überall lagen riesige Säcke mit Mehl und anderen Nahrungsingridiienzien. Menschen wuselten herum. Ich erblickte auch zwei andere Mulungus (Weiße) und musste auch tatsächlich feststellen, dass die ersten schon in den See herauswateten. Die Lichter der Ilalafähre waren deutlich sichtbar – und in sicherer Entfernung.
Geschätze 300 Meter müssen es gewesen sein und die Vorstellung ohne Boot zu der Fähre zu gelangen schienen mir schier unmöglich.
Der sonst so paradiesisch anmutende See schien mir plötzlich sehr feindlich gesinnt zu sein.
Da kam mir die rettende Idee. Ich sprach zwei „Locals“ an, die einen sehr ruhigen und auch vertrauenserweckenden Eindruck auf mich machten. Wie sie sich denn vorstellten, auf die Fähre zu kommen? Sehr hilfsbereit erklärten sie sich sofort einverstanden mich unter ihre Fichtige zu nehmen. Die Passage zur Ilala war plötzlich auch etwas günstiger. Nun war nur noch die Rede von 300 Kwacha.. Gerne lud ich meine beiden neu gewonnen Freunde ein.

Der Glaube, doch noch Fuß auf Likoma Island zu setzen, war nun merklich gewachsen. Nur hatte ich eines nicht bedacht. Der Kahn, auf dem ich Platz genommen hatte samt schwerem Wanderrucksack sollte gar nicht bis zur Fähre kommen. Ich war skeptisch, als wir in den See geschoben wurden. Kein Motor, kein Ruder, nicht mal eine Stange.
Auf halber Strecke hieß es dann umsteigen. Eines der beiden motorisierten Beiboote der Ilala nahm uns in Empfang. Aber in schwärzester Nacht um drei Uhr morgens und vom einem Holzkahn in den anderen zu klettern gehört nicht zu den alltäglichsten Dingen.

Laut Fahrplan sollte die Fähre für eine Stunde vor Anker gehen, aber die Zielstrebigkeit nach zu urteilen, mit der sich die Passagiere auf die Fähre stürzten, gewann ich den Eindruck, als sollte die Ilala jeden Moment ablegen.

Das für 22 Personen ausgelegte Beiboot transportierte locker die doppelte Anzahl und zusätzlich noch einmal das selbe Gewicht an Ladung. Beschaulich ist anders. Endlich legten wir an. Aber da offenbarte sich mir ein weiteres Hinders. Es galt einen zwei Meter Höhenschied vom Beiboot zur Ilala zu überwinden. Dafür vorhergesehen eine Strickleiter älteren Modells. Weil das vielen Passagieren zu einfach erschien, erklommen sie die Leiter gleichzeitig, übereinander, miteinander und gegeneinander. Mit letzer Kraft hievte ich mich auf das Deck der Fähre. Endlich angekommen.

Die Abfahrt erfolgte dann allerdings zwei Stunden später. Und über die Strapazen des Verlassens der Ilala möchte ich an dieser Stelle  nicht sprechen. Nur so viel: geordnet war er nicht.

Hello, my friend – die Stimme hab`’ ich heute noch im Ohr. 8 000 Meter entfernt, am Bodensee.

Teil2 : Likoma Island – Traumstrände menschenleerzackAufbrucBeibootBrückeVollgepackt

Fotos

1 Ein Boot kommt selten allein. Improvisation ist alles..

2 Hose hochgekrempelt und auf zur Ilala

3. Ob 22 oder 40 Passagiere – auf der Ilala ist man da flexibel!

4. Die Brücke: hier laufen die Fäden zusammen und aus einer Std. auch schnell mal ein Tag Verspätung

5 Platz für alle und alles