Chimanimani – das große Glück im Kleinen

 

Afrika für Liebhaber

Chimanimani – das Glück im Kleinen – rostrote Bergwelt- African spirit
Tessas Pools: Erfrischendes Nass
Leben wie Gott in Frankreich: Reis mit Chakalaka. Joe sei Dank!

Das Farmhouse – Zuhause von Tempe, Schaf und Kuh

Fotos: stefan tietjen (von oben nach unten)

 

Chimanimani - KopieTessa PoolsRice mit chakalakaFarmhouse

 

Von unserem Afrika-Korrespondenten  Stefan Tietjen

 

 

IdyllPennies Paradies20160421_181122 - Kopie

 

Pennys Paradies – von Blumen und Bäumen beschützt

Schlafen wie Gott in Chimanimani

Tempe – die gute Seele der Farm

 

Im Gänsemarsch durch die Bergwelt Simbabwes

Donnerhall! Die Erde erzittert, der Stuhl neben meinem Bett gerät ins Wanken. Mein erster Gedanke: Ein Erdbeben. Oder doch ein nur ein Truck, der von der Straße abgekommen ist?
Erst dann wird mir wieder bewusst, wo ich bin. Das kleine Haus, “Penny’s Palace”, in dem ich untergekommen bin, steht auf einer Weide. Ein Esel hatte zum plötzlichen Galopp angesetzt. Ich blicke aus dem Fenster. Der Vollmond steht hoch am Himmel und lässt die Quartzberge in der Ferne, aber auch den Esel hell erleuchten.

Chimanimani, so lautet der Name des Ortes, an dem sich das Glück im Kleinen als auch im Großen treffen und miteinander verbinden.

Der Name Chimanimani klingt nicht nur nach einem verschwunschenen Ort in einem der Märchen aus Scherazades Erzählungen. Dieser Ort ist es ganz gewiss. Verwunschen, aber auch vergessen.
Dem geneigten Leser dürfte es zunächst sogar schwer fallen, Chimanimani dem richtigen Kontinent zu zuzuordnen. Während der Tafelberg Kapstadts oder die Serengeti Kenias jedes Jahr Huntertdausende von Besuchern bewundern können, verirren sich in den Südosten Simbabwes nur eine Handvoll von Weltenbummlern oder Backpackern.

Der Name, der “Gänsemarsch” bedeutet, hält sein Versprechen. Neben den Gänsen können sich auch eine Handvoll Kühe, einige Schafe, Pferde, Esel und Hühner sehr unbeschwert auf den saftig, grünen Wiesen des “Farmhouses”, einer sehr idyllischen Unterkunft, bewegen. Inmitten dieser Wiesen gedeiht ein prächtiger Garten. Gehegt und gepflegt von Michael, dem Caretaker. Reife Guavas leuchten an den Bäumen, das Muhen der Kühe durchdringt die Morgendämmerung, das Schnattern der Gänse trommelt in den Ohren.

Chimanimani hat keinen Bankautomaten und besteht, wenn man es gut meint, aus zweieinhalb Straßen. Aber was lässt einen dann das Herz schläger schlagen. Ein Ort, der sich kaum entscheiden konnte, ob er lieber zu Mosambik oder doch Simbabwe gehören sollte.
Lediglich der Fluss Bundi und die Gebirgszüge der Chimanimanis trennen beide Länder voneinander.

Das ehemalige Südrhodesien, dass erst 1980 die Unabhängigkeit erreichte, erfreut sich noch immer keiner Freiheit. Robert Mugabe, seit nunmehr 36 Jahren Präsident des Landes, hat es verstanden, einen großen Teil der Bevölkerung nach Südafrika zu vertreiben. Die Dagebliebenden leben mit dem Mangel – dem Mangel an allem. Immerhin hat die Einführung des amerikanischen Dollars zu einer gewissen Stabilität geführt. Das Wechselgeld ist allerdings rar gesäht, sodass alles zumeist einen Dollar kostet – aus Mangel an Wechselgeld. Da Geld kostbar ist, wird es an den sichersten Orten aufbefahrt. Bei Frauen zumeist im BH. Die Scheine erfreuen sich deshalb auch oft eines leicht klammen und verschwitzten Auftretens.

Zwei Nächte wollte ich bleiben, aber es viel nicht schwer, der Abgeschiedenheit noch zwei weitere Tage abzugewinnen. In der Tat bedürfte es auch nicht viel Fantasie, um hier zu leben.

Einst lebten 1000 “Rhodies” in Chimanimani, heute sind es noch 24 Weiße, die zwar auch unter der Politik Mugabes und der ZanuPF leiden, aber Simbabwe viel zu sehr lieben, um dem Land den Rücken zuzukehren. Die meisten von ihnen haben spätestens nach der Enteignung der Farmen Anfang 2000 das Land in Richtung Südafrika, Sambia oder den Kongo verlassen.

Die Abfährtsspirale, die das Land seit 1980 im Zuge der Uanhänigkeit ergriffen hat, ist leider allgegenwärtig. Aus der einstiegen Kornkammer des südlichen Afrikas ist heute ein Bittsteller geworden.
Zu den 24 Übriggebliebenen gehören Tempe, die Besitzerin des “Farmhouses” und ihr Mann Douglas, der wiederum für die Bergrettung zuständig ist. Dave ist der Schulleiter der “Outward Bound School” und verlässt nur ungern seinen Arbeitsplatz am Fuße der Chimanimani-Berge. Aber zum Pizzaessen bei Jane in der Heaven Lodge kommt auch er in Begleitung seiner Frau Irene.
Beide hatten mich auch schon spontan zum Tee eingeladen. Die Welt in den Bergen ist klein.

Dann ist da noch der Geschichtenerzähler Shane. Notorisch knapp bei Kasse lässt er es sich doch nicht nehmen, seine Gäste auf eine Runde Brandy-Coke einzuladen. Offenbar ist seine Clique seiner Anekdoten etwas überdrüssig geworden und er ist dankbar für jedes neue Opfer, welches seinen Monologen über die Weltgeschehnisse lauschen muss. Die Auswahl an Gesprächspartnern ist hier eben sehr begrenzt.
Auch zwei Deutsche Aussteiger sind Teil der geselligen Runde, die sich jeden Samstag in der Heaven Lodge trifft. Einer ist Uli , der gar nicht mehr genau sagen kann, welchem Bundesland er entsprungen ist. Schließlich lebt er schon seir 25 Jahren in den Eastern Highlands.

Zu viele Zambesi kann ich an diesem Abend aber nicht trinken, denn am nächsten Morgen habe ich noch eine Verabredung mit Joe. Dieser 27jährige “Local” arbeitet auch als Teamleiter bei der “Outward Bound School”. Ich hatte ihn zufällig bei einem Bad in den “Tessa Pools” bei der Schule getroffen und ihn kurzer Hand als Bergführer angeheuert. Ursprünglich wollte ich den Kilimanjaro erklimmen, aber was sind schon 6000 Meter, wenn man auch “Mount Binga” besteigen kann.

Sechs Stunden sollte der Aufstieg dauern. Genügend Zeit für die ein oder andere Geschichte. So erfuhr ich von meinem Guide, dass die Truppen Mugabes während des Unabhängigkeitskrieges in den 1970er Jahren im benachbarten Mosambik ausgebildet wurden. Durch einen Pass in den Chimanimani-Bergen sollten sie ins ehemalige Rhodesien eindringen. Aber die Kolonialregierung unter Ian Smith bekam Wind von den Plänen und veranlasste den Pass zu verminen, der heute den Namen “Skeleton Pass” trägt.
Joe wusste noch einige Geschichten aus den Kriegsjahren zu erzählen. Allesamt sehr blutig. Den 2400 Meter hohen Gipfel erreichten wir an diesem Tag nicht mehr, aber dafür hatten wir noch Zeit für ein Bad im Bundi. Erfrischer kann ein Tag nicht enden.