Ich traf ihn im weißen Pressezelt vor der Parteizentrale Syriza
in der Athener Altstadt. Blaues Hemd, Anzugjacke anthrazit, keine Krawatte, die rechte Faust geballt zum: νίκη –Sieg!
Da waren es noch drei Stunden bis zum Ergebnis der Wahl.
Alexis, sein Vorname bedeutet Beschützer, Alexis Tsipras,
40 Jahre alt, machte seinem Sternzeichen Löwe (28. Juli) alle
Ehre: „Seht her ihr Griechen, ich bin es, der Euch aus dem Elend führt!
Wir sind die Wiege der Demokratie, der Kultur, der Medizin.“
Kleine Pause: „Ja, auch der Mathematik!“
Das sagte er bewußt zum Schluß, denn:
Jetzt kommt die Zeit des Rechnens, des Abrechnens.
Es geht um Millionen, Milliarden, Billionen. Es geht um
Brüssel, Berlin und New York. Da sind die Arenen, in
die der stolze Löwe Tsipras jetzt springen muss. Und kämpfen muss,
mit Schwert, ohne Krawatte.
Vor irgendwo scheppert aus Lautsprechern die griechische
Hymne an die Freiheit von Dionysios Solomos
Ja, ich kenn’ dich an der Klinge
deines Schwerts, so scharf und blank,
wie auf diesem Erdenringe
schreitet dein gewalt’ger Gang.
Die du aus der Griechen Knochen
wutentbrannt entsprossen bist,
die das Sklavenjoch zerbrochen,
holde Freiheit, sei gegrüßt!
Das ist jetzt Balsam für die Seele der Griechen.
Deutsch-Linke mischen sich unters Wahl-Volk, zeigen ihre roten Plakate:
„Wir start from Greece,
Hybris? Sie spielen den Leonhard Cohen Song:
„First we take Manhattan,
then we take Berlin.“
Das klingt nach Folklore, ist ihnen aber bitterer Ernst.
Erst Griechenland, dann Spanien, dann Poretugal –
Der Süden wir rot.
Ein paar hundert Meter weiter, im National Garden
wird es laut: Adonis Samaras fährt vor, gesteht seine Niederlage
ein, aber: „Wir stehen jederzeit bereit.“ Er ahnt die Zukunft,
trotzig noch, aber als Visionär. Unter seiner Führung ging’s
bergauf, nicht für alle. Aber auch Griechenland wurde nicht an einem
Tag erbaut.
A-do-nis Sa-ma-ras! Immer lauter , minutenlang, die Niederlage will keiner
Verstehen oder akzeptieren. Bild-Chef-Reporter Paul Ronzheimer
übermittelt im Presse-Gewusel Im Zappeion an die Zentrale in Berlin:
„Erdrutsch!“ Und mir sagt er: „Wenn Tsiras jetzt bald nach Berlin reisen
Würde, würde er ein kluges Zeichen setzen“. Aber der Reporter glaubt
Eher an eine Brüssel-Reise.
Die ARD bringt vier Kameras in Hotel „Acropilis View“ in Stellung,
Maske, Tupfer, Schminke, – Tagesschau,
Brennpunkt, MoMa und Mittagsmagazin.“ Im Hintergrund die
Akropolis, 2000 Jahre alt. Wahrzeichen der Stadt. Aber war ist
Jetzt die Politik. Die Linken, sie feiern. Heute fallen schwenken
die Fahnen, es fallen die Mauern, es türzen die Ämter.
Die Neuen? Tsipras kennen alle, wer sind die Neuen?
Können Sie Politik? Diplomatie? Niemand weiß es, niemand kennt sie.
Darum hat Tsipras es eilig. Bloß keine Gerüchte, keine Spekulation.
Handeln, jetzt. Amtseid. Urkunden, Kampf. Neue Minister, neue Aufgaben –
alte Schulden. Das will jetzt keiner hören, wir feiern.
Plötzlich stehe ich neben Tspiras vor seiner Parteizentrale syriza und frage ihn im Jubel: „Wohin geht die erste Reise – nach Berlin?“
Er mag kurze Fragen, aber nicht so gerne von deutschen
Journalisten.
„Erst kommt Griechenland, dann Europa!“
Seine Presseprecherin Danae Badogianni, sagt mir: „Heute Hektik,
in zwei Wochen kriegen sie mehr.“Eine Profi-Antwort. Also wieder nach Athen, in
zwei Wochen.
Dann fahr‘ ich durch die Lande, zu meinen griechischen Freunden,
Maik in Epidavros, Dimitri in Porto Heli, Evangelos in Naflio.
Auf dem Weg geht‘s durch Orgenplantagen mit dicken, reifen
Früchten. Blühendes, reifes Griechenland. Am Wegesrand ein Händler: 10 Kilo – drei Euro. Ich kaufe
und presse den Sant aus, zuckersüß, fruchtig, gesund. Tropfen
laufen mir über das Kinn, die Schneeberge im Hintergrund, das
Meer vor meinen Augen, die Ruinen von Epidauros. Hier lebte und
wirkte Asklepios, der Gott der Heilkunst. Hier wird ein Zentrum der
Homöopathie, der Isopathie entstehen, ganz nach dem Vorbild von
Asklepios. Die deutsche Natur-Heilkundlerin Sabine Linek wird hier
die alte Medizin-Kunst der Griechen auferstehen lassen –
Sie sagt: „Wohin der Weg die Griechen auch führt, dies ist ein stolzes
Land, hier sind die wahren Werte.“
Ich war auf Rhodos, auf Kreta und Mykonos.
Ich war in Tavernen, an Stränden und in den Bergen.
Auf der Zypern habe ich den besten Rosé getrunken,
in Pylos die besten Oliven gegessen – und jetzt die
saftigen Orgen – es wird immer irgendwie weitergehen,
solange es einen blauen Himmel über Griechenland
gibt.
Eins ist mir nach der Wahl ganz klar, eine griechische Weisheit:
Hier ist Rhodos, hier springe!
Bedeutung:
Beweise durch Taten, was du vorgibst zu können
Heute heißt es – leicht abgewandelt.
Hic alexis – hic salta
Uli Pape
Fotos: Tom Kuschel